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Biedermeier

Als Biedermeier wird eine deutsche Literaturepoche zwischen 1815 und 1848 bezeichnet. Im Vordergrund der Biedermeier Epoche stand nicht das Denken oder das Handeln, sondern das Erleben und Schaffen aus der Natur heraus. So starteten Autoren der Biedermeierzeit Forschungsreisen in die Natur, um diese kennen zu lernen, sie zu begreifen und sie zu katalogisieren. Der Einfluss dieser Epoche war so groß, dass sie über die Literatur hinaus das Privatleben der Menschen beeinflusste. Dies führte dazu, dass das kleinbürgerliche und naturverbundene Leben vor dem öffentlichen Leben bevorzugt wurde.

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Biedermeier Literaturepoche (1815 – 1859)


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In der Literaturepoche des Biedermeier, die chronologisch parallel zu Spätromantik, Vormärz und Jungem Deutschland verlief, spiegelte sich die bürgerliche Enttäuschung über die restaurative Entwicklung in Politik und Gesellschaft und daraus resultierende Resignation mit Rückzugstendenz ins Private wider.

Die biedermeierliche Mentalität ist unpolitischer und wertkonservativer Natur und zeigt eine schwermütig-melancholische Tendenz, wobei man versuchte, die schwierigen Lebensverhältnisse durch ein gewisses Maß an Realitätsflucht, Ordnung und rationale Gestaltung privater Lebensverhältnisse zu bewältigen.

Im Unterschied zu den Strömungen „Vormärz“ und „Junges Deutschland“ wird an das Kunstverständnis von Klassik und Romantik mit den Idealen des Wahren, Guten und Schönen angeknüpft. Obwohl die problematischen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft durchaus wahrgenommen wurden, versuchten die Literaten durch die Hochschätzung traditioneller Werte (z.B. Familie, Gott, Natur) im Gegensatz zur belastenden Umwelt eine behagliche Innenwelt zu schaffen, in der man Geborgenheit und Sinnerfüllung im Einklang von seelischen Grundbedürfnissen, sozialer Umwelt und Natur bzw. Schöpfung zu finden hoffte.

Im Menschenbild knüpft der Biedermeier an die Klassik an, insofern der Glaube an die Entwicklung des Menschen auf dem Weg der Selbsterziehung zu einer harmonischen Persönlichkeit das literarische Schaffen bestimmte; allerdings wurde damit kein gesellschaftspolitischer Reformansatz verfolgt. Im Unterschied zur Romantik ist der biedermeierliche Mensch bescheiden, demütig und strebt nicht sehnsuchtsvoll nach Entgrenzung; es geht ihm um eine ausgeglichene, maßvolle Haltung, wie sie sich in Kunsterlebnissen, Familiensinn und religiöser Besinnung zeigt.

Das Kunstideal des Biedermeier ist von einer einfachen und zugleich bildhaften Sprache bestimmt. In der lebensnahen Zuwendung zur unmittelbaren Wirklichkeit kommt wird den Einzelheiten große Bedeutung und den formalen Vorgaben wenig Beachtung geschenkt. Kunst ist Quelle der Erschaffung einer heilen Welt, wie sie in der dörflichen Gemeinschaft, der Familie und der überschaubaren bürgerlichen Idylle erfahrbar ist. Alle drei Großgattungen können im Biedermeier als Formen literarischer Werke auftreten.

Eduard Mörike – An die Geliebte

Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt,
Mich stumm an deinem heilgen Wert vergnüge,
Dann hör ich recht die leisen Atemzüge
Des Engels, welcher sich in dir verhüllt.

Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt
Auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge,
Daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
Mein kühnster Wunsch, mein einzger, sich erfüllt?

Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn,
Ich höre aus der Gottheit nächtger Ferne
Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.

Betäubt kehr ich den Blick nach oben hin,
Zum Himmel auf – da lächeln alle Sterne;
Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen.

(Eduard Mörike: An die Geliebte (1830))

Gemälde aus der Biedermeier Epoche

Nicht nur in der Literatur der Biedermeierzeit konnte ein Drang zur Natur beobachtet werden. Auch in Gemälden aus der Zeit zwischen 1815 und 1850 wird deutlich, dass die Natur ein wichtiger Teil Bestandteil der Kunst geworden ist.

DIE HEIMKEHR – Friedrich August Matthias Gauermann, © Belvedere, Wien

Partie aus dem Prater mit fischenden Knaben, Matthias Rudolf Toma, © Belvedere, Wien

Gewitterlandschaft, Joesf Kriehuber, © Belvedere, Wien

Biedermeier Zusammenfassung

Biedermeier Epoche: 1815-1848

  • Wiener Kongress 1815
  • Französische Julirevolution 1830, die dem dort ansässigen Bürgertum zur Macht verhalf, gab auch Deutschland den Ansporn, sich gegen die Obrigkeit zu widersetzen.
  • Erste Eisenbahn in Deutschland 1835.
  • Zensur und Einschränkungen ließen junge Autoren radikalisieren.
  • Zahlreiche Proteste und Aufstände.
  • Die beginnende Industrialisierung und die sich anbahnende Entfremdung von der Natur beschäftigte ebenfalls viele Autoren.

Vormärz

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Vormärz - Literaturepoche einfach erklärt - Merkmale, Geschichte, Vertreter - Junges Deutschland

Die Literatur zwischen 1830 und 1848 lässt sich in zwei Strömungen gliedern, die antirestaurative und revolutionäre Intentionen verfolgten:

„Vormärz“ bezeichnet die literarischen Bemühungen jener Autoren, die die revolutionären Entwicklungen dieser Zeit thematisch aufgegriffen und literarisch unterstützt haben. Der Vormärz verlief parallel zur Biedermeierzeit und wandte sich gegen reaktionär-restaurative Bestrebungen und vertrat zudem demokratische Ideen. In Absetzung von den idealistischen Epochen Klassik und Romantik benutzten sie Literatur als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Heinrich Heine sprach daher vom „Ende der Kunstperiode“. Hier ein Beispiel eines literarischen Werkes aus der Zeit des Vormärz.

Die schlesischen Weber
Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!

Heinrich Heine (1844)

Vormärz Zusammenfassung

Auswahl wichtiger Vertreter und ihrer bedeutendsten Werke:

  • Heinrich Heine:
    Reisebilder 1-4 (1826/27 und 1830/31), Die schlesischen Weber (1844),
    Deutschland. Ein Wintermärchen. (1844)
  • Georg Büchner:
    Der hessische Landbote (1834), Dantons Tod (1835), Woyzeck (1836)
  • Heinrich Clauren:
    Mimili (1815/1816)
  • Annette von Droste-Hülshoff:
    Die Judenbuche (1842)
  • Christian Dietrich Grabbe:
    Don Juan und Faust (1828), Napoleon oder Die hundert Tage (1831)
  • Eduard Mörike:
    Gedichte (1838)

Junges Deutschland

Das „Junge Deutschland“ stellte eine Oppositionsgruppe dar, die vor allem in journalistischen Formen (z.B. Satire) (tages-)politische Zeitereignisse aufgriff und für demokratische Freiheiten kämpfte. Die Werke wurden deshalb 1835 vom Deutschen Bundestag wegen „staatsgefährdender“ Inhalte verboten; wegen angeblicher Geringschätzung von Religion, Moral und
Gesellschaftsordnung wurden die Autoren auch der Pressezensur unterzogen. Zeitlich verlief das Junge Deutschland parallel zum Vormärz und der Biedermeierzeit. Hier ein Werk aus der Literaturepoche des Jungen Deutschlands.

Das freie Wort
Sie sollen alle singen
Nach ihres Herzens Lust;
Doch mir soll fürder klingen
Ein Lied nur aus der Brust:
Ein Lied, um dich zu preisen,
Du Nibelungenhort,
Du Brot und Stein der Weisen,
Du freies Wort!

Habt ihr es nicht gelesen:
Das Wort war vor dem Rhein?
Im Anfang ist’s gewesen
Und soll drum ewig sein.
Und eh ihr einen Schläger
Erhebt zum Völkermord,
Sucht unsern Bannerträger,
Das freie Wort!

Ihr habet zugeschworen
So treu dem Vaterland,
Doch ihr seid all verloren
Und haltet nimmer stand,
Solang in West und Osten,
Solang in Süd und Nord
Das beste Schwert muß rosten,
Das freie Wort!

Ach! es will finster werden,
Wohl finster überall,
Doch ist die Nacht auf Erden
Ja für die Nachtigall.
Heraus denn aus der Wolke,
Die, Sänger, euch umflort;
Erst predigt eurem Volke
Das freie Wort!

Laßt eure Adler fliegen,
Ihr Fürsten, in die Welt
Und sie nicht müßig liegen
Auf eurem Wappenfeld!
O jagt einmal die Raben
Aus unsern Landen fort,
Und sprecht: Ihr sollt es haben,
Das freie Wort!

Georg Herwegh (1841)

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